Mehr als zwanzig Jahre bin ich bereits als Bischof Nikolaus unterwegs: sowohl in der Schule als auch in zahlreichen Familien meiner Heimatpfarre.
Natürlich habe ich dabei viel Lustiges, Schönes, aber auch Trauriges erlebt:
- eine Hausgeburt während meiner Anwesenheit;
- eine bildhübsche Frau, die ich besuchte, obwohl sie gar keine Kinder hatte;
- einen Onkel, der überraschend als Krampus auftauchte und mir mehr Angst machte als den Kindern;
- ein Mädchen, das gegen mich und ihre Eltern sehr heftig revoltierte, weil Mama und Papa kurz vor der Scheidung standen;
Einfach das pure Leben in hoher Konzentration;
In diesem langen Zeitraum hat sich vieles für uns Nikoläuse geändert:
- Früher war der Nikolausbesuch eingebettet in eine familiäre Adventfeier. Die Familie hat gebetet, Tee getrunken und gemeinsam auf den Nikolaus gewartet. Diese besinnlichen Momente passieren nur noch in Ausnahmefällen. Teilweise läuft der Fernseher parallel, der Vater denkt nicht daran, sein Telefonat zu beenden, falls er überhaupt daheim ist.
- Sollte ich bei meinen Ausführungen auf einen gewissen Herrn Jesus kommen oder den Vorschlag eines gemeinsamen Gebetes machen, ernte ich vielfach großes Erstaunen.
- Die Kinder, die ich besuchen soll, werden immer jünger. Manchmal sind sie noch so klein, dass ein sinnvoller Gedankenaustausch noch gar nicht möglich wird. Es muss halt alles immer früher passieren. Wer mit drei Jahren schon im Ballettunterricht ist und eine zweite Fremdsprache lernt, der muss mit zwei Jahren unbedingt schon den Nikolaus gesehen haben, auch wenn dies nur unter Tränen und Geschrei möglich ist.
- Mein Begleiter ist natürlich nicht mehr Knecht Ruprecht, aber er hat in manchen Häusern eine wichtigere Aufgabe als ich: Er muss die Geschenke schleppen und die werden immer größer und mehr.
- In der Schule erkennen mich viele nicht mehr. Sie rufen mir "Hohoho" nach und fragen mich, wo mein Rentier sei?
Bei allen befremdenden Entwicklungen, eines hat sich in den vielen Jahren nicht verändert: die freudigen Kinderaugen und das Strahlen in den Gesichtern der Kinder. Dafür lohnt es sich, Nikolaus zu sein und deswegen bin ich auch dieses Wochenende wieder unterwegs.
Michael Machreich